Sabbatical – Review

Was ein Jahr! Ich bin immer noch überwältigt von dem, was ich erleben durfte, was ich aufgebaut habe, was sich alles geändert hat. Ich weiß, dass ich als anderer Mensch ins Sabbatjahr gegangen bin als ich jetzt rausgehe. Im Prinzip ist fast alles anders gekommen als gedacht, aber jetzt im Nachhinein macht es Sinn und passt zusammen und dafür bin ich wahnsinnig dankbar.

Vor viereinhalb Jahren hab ich das Jahr bei meiner damaligen Schulleiterin beantragt. Ich wusste damals nur, dass mich irgendwas ruft, dass ich reisen will, dass ich Abwechslung brauche und etwas, auf das ich mich beim Schulalltag freuen kann. Die Einarbeitungszeit hat sich gezogen, wie ein Kaugummi, aber ich hab mich wahnsinnig gefreut, hatte dauernd neue Ideen und hab alles mögliche recherchiert und dann wieder verworfen. Eigentlich war das für mich auch immer ganz schwierig. Dass ich aus irgendeinem Grund dachte, alles was ich sonst im Leben und durch die viele Arbeit glaubte versäumt zu haben, müsste ich jetzt in dieses eine Jahr pferchen. Und dann konnte ich mich nicht entscheiden, was davon ich zuerst oder am meisten wollte.

Dann kam aber sowieso alles anders und mit dem ersten Lockdown 2020 musste ich mich mit der Frage beschäftigen, ob ich das Jahr unter diesen Bedingungen evtl. verschieben sollte, um meinen Reiseideen nachzugehen. Ich habs nicht verschoben und weiß inzwischen, dass das die richtige Entscheidung war. Zum einen haben alle meine Lehrerfreunde und Kollegen berichtet, dass das Schuljahr das anstrengendste überhaupt gewesen ist. Zum anderen hätte ich manche Projekte vielleicht nicht umgesetzt, wäre ich nicht ein halbes Jahr an zu Hause gefesselt gewesen. Ich hatte schon öfter gelesen und gehört, dass kreative Prozesse auch eine Zeit der Ruhe oder gar der Langeweile brauchen um zu reifen. Bei mir war das jedenfalls so und ich blicke inzwischen sogar mit Dankbarkeit auf den Dezember zurück, in dem ich tage- und wochenlang nur am Computer gezockt habe ohne einen Fuß auf die Erde zu bekommen. Irgendwie brauchte ich diese Zeit wohl, musste das auskosten, bis es mir zum Hals raushängt, sodass ich danach das Bedürfnis danach nicht mehr hatte.

Ich nutze normalerweise gerne den Jahreswechsel um einen Rückblick zu wagen, auszuwerten und zu überlegen, was im nächsten Jahr ansteht. Jetzt tu ich das halt mal im Sommer, aber der Vergleich ist enorm – in dem Sinne, wie viel sich getan hat, wie viel ich gesehen und erlebt habe.

Ich versuch mal ne Zusammenfassung:

Ich hab letztes Jahr vorm erneuten Lockdown zwei sehr sehr bereichernde Fahrradreisen gemacht. Einmal von Frankfurt nach Holland und dann ein paar Wochen später die richtig lange von Mainz über die Alpen bis nach Venedig. Da ich beide Male die allermeiste Zeit allein unterwegs war, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Und irgendwann lässt man dann auch mal die Gedanken zu, die man sonst immer vor sich herschiebt – die einem zu unangenehm sind, sie überhaupt zu denken. Grob gesagt, hab ich gedanken- und gefühlsmäßig einmal alles auf die Probe gestellt, was ich vorher dachte, dass es mich ausmachen würde… alles was so zur eigenen Identität zählt… Freunde, Hobbys, Materielles, Äußeres, Inneres. Es war irgendwie wie ein Reset-Knopf, der alles auf Null gesetzt hat, sodass ich mich hinterher neu zusammenbauen konnte. Das war ein sehr sehr befreiendes Gefühl, da ich auch alte Glaubenssätze und Überzeugungen hinterfragen konnte und mich hinterher fühlte wie ein weißes Blatt Papier, das ich neu beschreiben kann. Ich glaube im Nachhinein, dass das die Basis für alles andere war.

Ich hab im Januar meine Coachingausbildung abgeschlossen und bin jetzt Life- und Businesscoach. Dafür hab ich letzten Sommer und Herbst eine Hausarbeit geschrieben und bis Dezember 60 Stunden gecoacht. Es ist immer noch spürbar, wie viel ich dadurch über mich selbst gelernt habe, und ich bin sehr sehr dankbar für meine Ausbildungsgruppe, die mir so viel gegeben hat und für meine Klienten, die sich mir anvertraut haben. In der Abschlusspräsentation ist mir dann ziemlich klar geworden, dass es eigentlich eher die Kunst ist, die mich ruft! Das dafür aber umso deutlicher. Aber ich schließe nicht aus, dass ich das Coaching irgendwann doch beruflich mache und vielleicht in die Kunst mit einbeziehe.

Ich hab in dem ganzen Jahr fast jeden Tag eine Postkarte gemalt. Insgesamt sind es jetzt 360 Stück, die alle in einem dicken Ordner im Schrank stehen. Ich hätte am Anfang nie gedacht, was mir das für Türen öffnet. Nach kurzer Zeit gab es Menschen, die die Karten kaufen wollten. Ich hab sie also drucken lassen und einen Etsyshop eröffnet. Der ganze Prozess hat mich so viel lernen lassen, da ich mich ja selbstständig machen musste, ein Gewerbe anmelden usw. Über die Postkarten sind Menschen auf mich aufmerksam geworden, die mich für andere Dinge beauftragt haben. Dass irgendjemand das toll findet, was ich da so male, hätte ich vorher nicht geglaubt. Geschweige denn, dass jemand dafür Geld bezahlen möchte. Ich hatte vorher wirklich seit meiner Magisterausstellung 2010 den Glauben, dass meine Kunst nichts wert sei. Und jetzt zu erfahren, dass ich mir das nur eingebildet habe, ist unglaublich befreiend und ich merke, dass ich einen Teil in mir sehr sehr glücklich mache, der jahrelang danach gerufen hat. Außerdem kann ich selbst nicht glauben, was ich sehe, wenn ich die Bilder vom Anfang und die vom Ende des Sabbaticals vergleiche. Ich hab so viel dazu gelernt. Das kann ich mit meinem Kopf noch gar nicht begreifen. Gerade suche ich nach einem Ort, an dem ich die Postkarten nochmal der Öffentlichkeit präsentieren kann.

Die drei längeren Reisen in den letzten vier Monaten waren dringend nötig, weil meine Reiselust nach dem echt harten Winter auch unbedingt noch befriedigt werden wollte. Alle drei, Namibia, Island und unsere Campertour haben mich reifen lassen, haben mich ruhen lassen, haben mich gestärkt. Ich wurde schon öfters gefragt, was denn jetzt das tollste Erlebnis war. Das ist gar nicht so leicht zu sagen, aber es gibt ein paar Dinge, die mich wirklich sehr beeindruckt und geprägt haben. Ganz vorne steht der Vulkanausbruch in Island. Es ist immer noch schwer, die richtigen Worte dafür zu finden, wie sehr mich das beeindruckt hat. Auf der einen Seite fühlte ich mich unglaublich klein und unbedeutend im Vergleich zu diesen gefährlichen, aber wunderschönen Naturgewalten. Auf der anderen Seite fühlte ich mich stark und mutig. Die Tatsache, dass da so große Energien am Werk sind, die die menschengebauten Staumauern nicht abhalten können, dass da Lavamassen aus vielen Kilometern Tiefe heraufkommen, dass das etwas ist, was man auf gar keinen Fall irgendwie beeinflussen kann…. das macht demütig. Und dankbar für alles was ist und was man hat. Und es wirft die ganz großen Fragen auf, warum man hier ist, was das alles soll, was eigentlich wichtig ist. Island ist halt ansich einfach ein wahrsinnig tolles Land und nirgendwo auf der Welt hat mich bisher die Landschaft so fasziniert wie dort. Dort zu sitzen und zu malen und sich inspirieren zu lassen hat mich tief erfüllt.

In Namibia haben mich die Begegnungen mit den Tieren sehr berührt. Irgendwie kennt man sie ja alle aus Zoos und Dokus und so, aber das war schon was anderes so wild, live und echt. Irgendwie war die ganze Reise ein großes Abenteuer und ich bin sehr dankbar, dass Linda, Paul, Judith, Lukas und Carlo mich mitgenommen haben! Ich hab eine Kinderbuchidee aus Namibia mitgenommen, die ich angehen möchte, wenn mein aktuelles Projekt abgeschlossen ist.

Unsere letzte Campingreise war geprägt von den Klettersteigen, die einfach nur Spaß gemacht haben. Es war toll, mit Oli gemeinsam zu planen, um sich dann immer wieder neu auf ein Kletter-Abenteuer einzulassen. Oli und ich sind einfach beide Genussmenschen, wenns ums Essen geht. Und so war der ganze Urlaub irgendwie ein Wechsel aus krassem Kaputt-Krakseln und dem Einkehren in Almhütten, Restaurants und venezianischen Osterias.

Und es sind so viele andere Dinge, die alle auch noch dieses Jahr gefüllt haben: das Kündigen des Beamtenstatus, das Abschneiden der Haare, Besuche in St. Peter Ording bei meiner Tante oder in Bielefeld bei Philipp, ein ziemlich geiles Kajakwochenende, die Geburten von Helenas Romy oder von Jano, dem Sohn meiner Cousine. Der intensivere Kontakt mit meinem Bruder Karl, weitere kleine Radtouren mit Besuchen bei lieben Menschen, tolle Zeiten in Schonderfeld, der Aufbau meiner Webseite, das Learning von Isabell Probst und die Kontakte, die sich aus der Mastermindgruppe ergeben haben… wer weiß, was ich jetzt alles vergesse, aufzuzählen…

Ich merke, dass ich aufrechter, stärker, selbstbewusster in die neue Arbeitszeit starte. Dass ich zu mir gefunden habe und mehr als vorher in mir ruhe und weiß was ich will. Ich habe gelernt, Zeit sehr achtsam zu genießen und bin irgendwann im Februar aus dem Hamsterradgefühl ausgestiegen, welches ich eigentlich seit der Jugend mit mir trage. Drückt mir die Daumen, dass dieses neue Lebensgefühl bleibt und ich auch im neuen Arbeitsalltag nicht wieder zurückfalle auf alte Muster und Glaubenssätze. Ich bin gespannt.

Jedenfalls ist das hier damit vorerst der letzte Beitrag dieses Blogs. Ich lass die Seite noch online für alle, die noch was lesen wollen. Falls es mit dem Camper demnächst rasant voran gehen sollte, hab ich vielleicht auch Lust, darüber mal wieder was zu schreiben. Aber vorerst wird hier Ruhe sein, denn ich starte nun in einen neuen Lebensabschnitt, der hoffentlich von viel Freiheit und Kreativität geprägt ist. Wenn ihr mich weiter verfolgen wollt, dann schaut doch mal auf meine offizielle Webseite tinestock.de. Die ist noch am Wachsen und muss auch dringend wieder überarbeitet werden, aber ich will demnächst auch dort einen Newsletter einrichten und den Blog weiter ausbauen, um über künstlerische Projekte zu berichten.

Ich freue mich, wenn du bis hierher mitgelesen hast. Ich hab mich immer wieder sehr gefreut, wenn mich jemand angesprochen hat: „Hey, ich hab deinen Blog gelesen.“ Dann fühlt sich das Ganze ein klein bisschen nützlich an. 😉

Und falls du einer der alten Kollegen bist, jemand von dem ich schon länger nix mehr gehört hab, dann schreib doch einfach mal und erzähl, wie es dir so geht und was es Neues gibt.

Ich wünsche Euch alles Gute

Eure Tine

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