Fietsen heißt radfahren (hat mir Birgit beigebracht) und wenn man das Wort kennt, entdeckt man es hier üüüüberall. Und ich kann euch sagen: Ich bin im Radlerhimmel!
Direkt hinter der Grenze ging der vorher holprige gepflasterte Pfad (den Deutschland Radweg nennt) über in eine breite Straße, auf der auf beiden Seiten ein ordentlicher Streifen für die Radfahrer reserviert ist. In der Mitte bleibt nur ein kleiner Streifen auf den genau ein Auto passt. Und hier sind die meisten Straßen, durch die ich komme, genau so. Oder der Radweg läuft seperat und ist komplett für Autos gesperrt (Fietspad oder Fietsstreet) oder er läuft neben der Straße. Sogar im Kreisverkehr gibt es eine Spur fürs Rad!!! Wow! Und ich bin über eine riesen Brücke gekommen, die ausschließlich für Radfahrer gebaut war.
Es ist auch fast unmöglich sich zu verfahren, weil das Radwegenetz (Fietsroutenetwerk) extrem gut beschildert ist. Und zwar gibt es an sogenannten Knotenpunkten (Knootpunt) Schilder mit einer Übersichtskarte und diese Punkte sind durchnummeriert. Das heißt man sucht sich auf der Karte die Nummer vom nächsten Knotenpunkt und fährt dann einfach den Schildern mit der Nummer hinterher 🙂
Scheinbar ist das Radfahren hier auch so sicher, dass nur die Rennradfahrer Helme auf haben und eben die deutschen Touris. Die Leute sind total entspannt unterwegs und fahren zur Arbeit oder machen Tagestouren. Gestern hab ich eine Frau gesehen, die hatte sich ihre Route mit einem Klemmbrett in DinA4 Format vorne am Lenker befestigt. Geil! (auf dem Foto sieht man es ein bisschen)
Klemmbrett-Omi Ab und zu muss man mit der Fähre übersetzen
Seit ich in Holland bin, sind die Leute aus irgendeinem Grund suuuper freundlich und gut gelaunt. Sie gucken zwar nicht immer so, aber im Gespräch waren sie bisher alle sooo nett.
Und wenn man dann auf einer geraden Strecke mit Rückenwind fliegt und alle möglichen Leute trotz schwerem Gepäck überholt, man merkt, dass die Beine sich gar nicht mehr groß anstrengen müssen und der Po nicht mehr schmerzt, man sich stark und frei fühlt und einfach nur großartig, dann möchte ich schreien vor Freude und sehe ungefähr so aus (siehe Bild).
Gestern wars ganz schön heiß und ich hatte morgens zu lang geschlafen und bin erst um 10 los gekommen und in der Nachmittagssonne dann fast verglüht. Die Priorität für den Campingplatz (davon gibts hier gefühlt alle 100m einen) lag also auf: Schatten! Das bot dann erst der dritte den ich angefahren hab und das hat sich sowas von gelohnt. Ich habe von meinen Nachbarn einen Stuhl geliehen bekommen (hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht, aber irgendwie hatte die Dame wohl Mitleid mit meiner sporadischen Ausstattung), die anderen Nachbarn haben mir erstmal die aktuellen Hygieneregeln für Holland erklärt (scheinbar fast back to normal – etwas verunsichernd) und die Besitzerin des Platzes hat den Vogel abgeschossen: Sie hat da einfach eine ganze Farm mit Pferden, Schafen, Ziegen, Hühnern und als ich die Katze gestreichelt habe, die mir zur Begrüßung entgegen kam, fragte sie: „Do you like cats?“ Mein „Yes, I am a cat person.“ war wohl das richtige Passwort um die 5 Babykatzen besuchen zu dürfen. 4 Wochen alt, so winzig, und so zuckersüß!!!! Das Highlight des Tages gestern. Ich hatte mir überlegt, dass ich ja meinen Helm an den Lenker hängen könnte und dass da genau eine Katze mitfahren könnte, aber verschiedene Personen haben mir davon abgeraten, weshalb ich es doch gelassen habe 😉
Heute bin ich schon um 6 los geradelt um nicht nochmal so einen Hitzestau zu bekommen. Hatte um 12 schon 70 km erledigt. In Utrecht hab ich gefrühstückt und ab da ging der Weg immer an so einem wunderwunderschönen Kanal entlang. Alle möglichen Leute auf den Booten und den Rädern unterwegs, das Ufer mit schicken Häuschen bebaut und es hätte sogar ein Boot für Radler gegeben (Fietsboot).
Parkleitsystem für Fahrräder Fahrradspur im Kreisel
In Amsterdam bin ich auf einem Campingplatz gelandet, der eher an ein Festivalgelände erinnert. Eine riesen Zeltlandschaft und immer mal wieder kommt so eine gewisse Dunstschwade vorbei. Horden von halbwüchsigen Deutschen scheinen hier ihren Sommerurlaub zu verbringen. Ich dachte ich fliehe und gehe in die Stadt was essen. Aber irgendwie war das alleine dann doch recht krass und ich wurde mehrmals angesprochen und die Stadt war super voll (Kultur- und Hygieneschock), sodass ich direkt wieder zurück geflohen bin und nun in der Hängematte liege zwischen den einzigen beiden Bäumen der Zeltwiese und neidische Blicke ernte. Mit der Tour in die Stadt waren es dann heute insgesamt 90 km. Jawoll!
Morgen geht es weiter nach Hoorn, wo ich dann endlich Nils, Helena, Disi und Ida treffe. Die letzte Etappe vorerst. 🙂
Bis bald, eure Tine
PS: Konnte erst heute morgen (Sa) hochladen, obwohl ich gestern Abend geschrieben habe… jetzt starte ich nach Hoorn 🙂
Moin Tine,
Radlerhimmel ist ein Treffer – ich war gespannt was Du dazu schreiben wirst. Krass fand ich auch das Wacht Device an der Ampel, welches anzeigt wie lange noch zu warten ist.
Bin gerade auf der Rückreise mit der Bahn und mal gespannt ob ich noch eine Fahrradkarte für den IC schiessen kann.
Alles Gute
Roland