Ja bin ich denn des Wahnsinns? o.O
Am Freitag hab ich in Bad Reichenhall erstmal einen Pausetag eingelegt, habe Wäsche gewaschen und dann 3,5 kg Krimskrams per Post nach Hause geschickt. Ich hatte eigentlich schon recht minimalistisch gepackt, aber so ein paar Dinge weniger erschienen mir aufgrund der bevorstehenden Alpenüberquerung doch ratsam. Die Hängematte z.B. ist nun auch weg, weil es zwei Wochen lang nur ein einziges Mal Bäume dafür gab (seit sie weg ist, gibt es Bäume ohne Ende, aber naja). Außerdem hab ich mir einen neuen Helm gekauft, weils unter dem alten schwarzen immer so heiß wurde.
Am Samstag dann die letzte Etappe des Bodensee-Königssee-Radwegs. Es ging kurz nach Bad Reichenhall erstmal ziemlich steil bergauf, was aber Spaß gemacht hat, weil es mitten durch den Wald ging und zum ersten Mal nach alpiner Landschaft aussah mit Felsen zwischendrin und kleinen Wasserfällen. In Berchtesgaden angekommen hab ich mir überlegt, dass ich den Schlenker zum Königssee eigentlich gar nicht machen muss. Ursprünglich wollte ich dort campen und dann mal mit dem Boot über den See fahren, aber sowohl die Campingplätze als auch die Hotels dort platzen aus allen Nähten und wollen mich nicht haben. Da der Königssee sich, wenn man keine Zeit dort hat, lediglich auf einen riesen Parkplatz und eine Tourishoppingmeile begrenzt, hab ich mich entschieden ab Berchtesgaden direkt rüber ins nächste Tal und auf den Alpe Adria Weg weiter zu fahren. Der Alpe Adria ist einer der typischen Alpenüberquerungen mit dem Rad und ich hab ihn gewählt, weil ich gelesen hatte, dass er einer der einfacheren ist (wir werden sehen). Von Salzburg aus führt er relativ gerade nach Süden runter und ich bin sozusagen 10km hinter Salzburg eingestiegen und schon ne Runde ins erste Tal reingerollt, um mir eine Unterkunft für die Nacht zu suchen. Da es seit einigen Tagen ja wirklich gutes Wetter hat und kein Regen, bin ich weiter am campen und in einem Ort namens Golling (ich muss dauernd an Gollum denken) abgestiegen. Man merkt schon, dass hier jetzt deutlich weniger Radwanderer unterwegs sind als am Rhein und zwischen Bodensee und Königssee. Und auch auf den Campingplätzen sind nur ganz wenige Zeltmenschen.
Irgendwie hat sich das am Samstag dann auch anders angefühlt, weil ich eben nicht mehr in Deutschland war und einfach so mal eben heimtuckern könnte, sondern jetzt bin ich wirklich dabei, mit dem Fahrrad die Alpen zu überqueren. Und dann kommen da auch lauter so Gedanken, ob man eigentlich völlig bescheuert ist??? Aber im nächsten Moment denk ich mir nur, wie geil das hier eigentlich ist, wie wunderschön die Landschaft ist, wie sehr ich das Radeln liebe, das Zelten und unterwegs zu sein. Und meinem Körper geht es prima, ich habe keine Schmerzen, fühl mich fit, die Hosen rutschen schon, weil ich mehr verbrenne als ich essen kann und meiner Seele könnte es nicht besser gehen.
Da hinten ist der Watzmann
Sonntag dann die erste richtige Bergetappe mit ca. 900 Höhenmetern. Die Sonne hat noch zusätzlich von oben gewärmt, sodass ich auf den krass steilen Stellen bald zerflossen wäre. Mit dem ganzen Krempel ist auch das Schieben kein Spaß, aber manchmal komme ich auch im kleinsten Gang im Stehen nicht mehr weiter und dann hilft wirklich nur absteigen. Die erste Strecke ab Gollum (oder wie das hieß) ging es nur auf der Bundesstraße ohne Seitenstreifen durch ein enges Tal, was ohne die Industrie, Autobahn, Bahnstrecke und Baustellen ganz hübsch hätte sein können. Danach wurde es aber wirklich schön und auf Radwegen bin ich durch diverse hübsche Örtchen gekommen, bis dann nach Schwarzach der krasse Anstieg auf mich gewartet hat. Holla die Waldfee, da gings richtig steil hoch und das Stück danach, was auf dem Komoot-Bergprofil so schön flach ausgesehen hatte, entpuppte sich als Strecke mit vielen kleinen aber steilen Hügeln, die sich dann eben zu den ganzen Höhenmetern aufsummiert haben.
An der Straße durchs Tal
bei 27° den Berg nuff
Ein Highlight war dann der Tunnel ins Gasteintal, durch den die normale Bundesstraße führt, der aber extra eine Spur für Radfahrer hat, die super sicher abgetrennt ist und gut beleuchtet. Man kann also neben den Autos schön stetig bergauf demmeln und kommt dann im nächsten Tal an. Hier hab ich erstmal bei einer Gaststätte einen Liter Flüssigkeit in mich hinein kippen müssen und merkte, dass ich schon ganz schön ko war. Ich hab an dem Tag ca. jede Stunde einmal was essen müssen um nicht in ein Zuckerloch zu fallen und so hab ich mit diversen Riegeln noch die letzten 17km durchs Tal geschafft bis kurz vor Bad Gastein. Der Campingplatz dort war wirklich sehr sehr schön und die Sanitäranlagen sahen mega schick aus wie in einer Sauna und haben so gerochen. Super.
Da gehts in den Tunnel rein.
Verdrängt hatte ich bis zu dem Zeitpunkt, dass der eigentliche krasse Anstieg ja erst in Bad Gastein kommt, also am Montagmorgen direkt. Aber da war die Aussicht so wunderbar und in der Stadt konnte man immer wieder anhalten, Foto machen, sich umgucken, sodass ich für die 240 Höhenmeter auf ca. 2,5km bestimmt ne dreiviertel Stunde gebraucht habe. Aber ich hab immerhin davon mehr als die Hälfte im Sattel gesessen statt zu schieben 😉
Halbe Strecke hoch nach Bad Gastein geschafft. Da muss ich noch hoch
Hinter Bad Gastein gibt es dann statt einer Passstraße einen Autozug durch einen Tunnel. Der fährt einmal in der Stunde (natürlich war er gerade weg) und hat sogar ein extra Fahrradabteil. In ca. 10min ist man auf der anderen Seite. Und für alle, die jetzt sagen, ich hätte gecheatet: Der Zug ist Bestandteil des Alpe Adria Trails. Hier gibt es keine Straße, die man hätte fahren können. Alle müssen durch den Tunnel. Man steigt im Salzburger Land ein und kommt in Kärnten wieder raus. Und irgendwie hat es auch total Spaß gemacht 🙂
Zelt trocknen beim Warten
Das Highlight des Tages kam aber danach. Es ging nämlich über 10km lang die tolle kurvige Passstraße bergab. Sowas was ich bisher nur mit dem Auto runter gefahren bin. Die Aussicht ins nächste Tal war der Hammer und es waren nicht so viele Autos unterwegs, sodass meine einzige Sorge meinen Bremsen galt. Hab einfach ab und zu angehalten und ein Foto gemacht, gewartet bis die Bremsen wieder kalt waren und hab es einfach nur genossen.
Da durfte ich runter düsen.
Übernachtet hab ich am Millstätter See nahe Spittal. Mein mobiles Internet im Ausland ist leider aufgebraucht, sodass ich momentan aufs Wlan angewiesen bin. In Österreich gibts aber oft an den Supermärkten Internet oder manchmal auch ein freies von der Ortschaft. Aber ansonsten geht man halt in ein Gasthaus. Und irgendwie tut es mir auch mal ganz gut, nicht ständig bei jeder Rast aufs Handy zu schauen. Eigentlich war das was, was ich mir für den Jakobsweg mal so vorgestellt hatte.
Heute ging es durchs Tal an der Drau entlang Richtung Villach und deshalb eigentlich wie vorher am Rhein immer am Fluss und deshalb schön eben. An den flachen Stellen merke ich inzwischen, dass ich mindestens einen Gang höher fahre als zu Beginn der Reise. Wie viel kmh das sind weiß ich jetzt nicht, aber ich komm die Hügel sehr viel leichter hoch und werde nur noch von den Rennradfahrern und den ganz ambitionierten E-Bikern überholt. Und ich stelle fest: Wer abnehmen will und trotzdem mit Genuss viel essen, dem kann ich so eine Reise nur empfehlen. Der Corona-Speck ist jedenfalls Vergangenheit.
Jetzt bin ich auf einem Campingplatz am Faaker See, auf dem ich mal mit 12 oder 13 mit meiner Familie war. Es ist wunderschön hier. Ich zelte zwischen Bäumen ganz nah am See, in dem ich vorhin auch schon baden war. Außerdem gabs einen Touri-Yoga-Kurs, weshalb ich jetzt sehr entspannt im Zelt sitze. Morgen werd ich evtl. noch einen Tag Pause machen, damit sich meine Oberschenkel von den Bergetappen erholen dürfen. Und dann sind es tatsächlich auch nur noch vier Tagesetappen bis nach Venedig.
Bis bald, eure Tine
Hallo Tine!
Herzliche Grüsse und unsere Hochachtung sowie Respekt für Deine Radreise. Das ist nicht Selbstverständlichkeit für junge Leute wie Du. Da braucht man Charakter, Selbstdisziplin, sympathiesche Ausstrahlung und vor allem Freude am Leben in und mit der Natur. Viel Spaß noch bei Deiner Reise.
Die siebenköpfige Radgruppe aus Oberösterreich, die mit Dir eine zeitlang am Drautalradweg Richtung Villach unterwegs war.